Auch wenn die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit 2009 kontinuierlich abgenommen hat, haben Insolvenzrechtler genug zu tun. Hans Haarmeyer, Professor für Wirtschafts- und Insolvenzrecht, erklärt, was Berufseinsteiger erwartet.
Kaum ein Berufsfeld bewegt sich so abseits der normalen Karrierewege und birgt zugleich ein so enormes Potenzial wie das Sanierungs- und Insolvenzmanagement. Dass dieser Berufsweg nicht zu den beliebtesten gehört, könnte vor allem daran liegen, dass die Aspekte Krise und Insolvenz immer noch als Stigma angesehen werden. Doch wer einmal in diesem Bereich eingestiegen ist, will und wird ihn meist nicht freiwillig verlassen.
Viele Einsatzgebiete für Insolvenzrechtler
Das Berufsfeld Restrukturierung/Insolvenz spielt sich hauptsächlich in den klassischen Bereichen der Unternehmensberatung ab. Zunehmend ist es aber auch ein spezielles Arbeitsfeld für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Neben beratenden Rechtsanwälten arbeiten hier auch Insolvenzverwalter und insolvenzbegleitende Dienstleister wie Interims-Manager und Spezial-Verwertungsunternehmen.
Berufseinsteiger sollten sich allerdings von der verbreiteten Illusion lösen, dass es möglich ist, als Insolvenzrechtler sehr schnell scheinbar lukrative Positionen zu erlangen. Besonders der Markt der Insolvenzverwaltungen ist heftig umkämpft und lässt nur selten Neueinsteiger in Führungspositionen zu. Gerade in diesem Bereich kommt es sehr stark auf branchenübergreifende Erfahrungen an. Für wirtschaftlich ausgerichtete Juristen, besonders auch Diplom-Wirtschaftsjuristen, bieten sich allerdings hervorragende Einstiegsmöglichkeiten.
Das Insolvenzrecht ist die Basis jedes Insolvenzverfahrens. Als Teil des Wirtschaftsrechts bewegt es sich an der Schnittstelle vielfältiger Rechtsgebiete, etwa des Unternehmens-, Gesellschafts-, Handels-, Steuer- und Strafrechts. Zugleich erfordert es betriebswirtschaftlich orientiertes und betriebswirtschaftlich determiniertes Handeln (Bewertung von Vermögen, Begutachtung strategischer Unternehmensplanung, Turnaroundmanagement, Work-Out, Sanierungsstrategien).
Spätestens mit dem erhaltungsdominierten neuen Insolvenzrecht hat es sich zu einer hochdifferenzierten Rechts- und Wirtschaftsmaterie entwickelt. Jeder Verwalter sollte sich daher in unterschiedlichsten Rechtsfragen auskennen. Außerdem muss er unternehmerisches Denken mitbringen, innerhalb kürzester Zeit wirtschaftlich weitgreifende Entscheidungen treffen und sie konsequent umsetzen.
Das Berufsbild des Insolvenzverwalters hat im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts einen erheblichen Wandel durchgemacht: Noch Anfang der achtziger Jahre prägten im Wirtschaftsbereich tätige Anwälte das Bild, die allenfalls zur Hälfte ihrer Tätigkeit auch als Insolvenzverwalter tätig waren. Erst seit Mitte der achtziger Jahre traten professionelle Insolvenzverwalter in den Vordergrund, die sich mehr oder minder ausschließlich mit der Insolvenzabwicklung befassen.
Wer als Verwalter arbeiten möchte, muss eine qualifizierte, zuverlässige und vertrauenswürdige Persönlichkeit sowie hinreichende Erfahrungen und Kompetenzen mitbringen. Mit großem zeitlichen Engagement und dementsprechenden Fachkenntnissen sollte er den Erfordernissen des Verfahrens gerecht werden.
Wer sich als Jurist für eine Tätigkeit in der Insolvenzverwaltung oder Restrukturierung interessiert, sollte sich unbedingt schon während des Studiums um praktische Erfahrungen bemühen – etwa durch ein Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einem entsprechend ausgerichteten Büro. Er sollte sich zudem für wirtschaftliche Zusammenhänge begeistern können, ein gutes Verhältnis zu Zahlen haben und solide Kenntnisse in Rechnungswesen und Bilanzierung mitbringen. Karrierefördernd kann dabei auch eine Spezialisierung im Gesellschafts-, Unternehmens- und Steuerrecht sein. Denn dies sind die zentralen Bereiche, in denen Restrukturierungsprozesse angesiedelt sind.
In diesem Berufsfeld arbeitet man an einer Schnittstelle, an der wirtschaftliche Rahmenbedingungen mit rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Vorgaben zusammengeführt werden müssen. Wer eine breite generalistische Grundausbildung und einen hohen Praxisbezug schon im Studium vorweisen kann, hat beste Voraussetzungen, wenn es darum geht, Lösungswege aus der Krise zu entwickeln und in rechtlich „saubere“ Prozesse zu integrieren.
Nachwuchsjuristen, die sich fürs Insolvenzrecht interessieren, sollten teamfähig sein und kommunikative Kompetenzen mitbringen. Vielfach ist die Tätigkeit mit einem hohen Stressfaktor verbunden, bei dem die Nerven aller Beteiligten und speziell der Betroffenen blank liegen. Gerade dabei spielt die Fähigkeit zur Kommunikation in der Krise eine große Rolle. Einsteiger in diesen Beruf sollten daher in jedem Fall mehr vorzuweisen haben als nur Zeugnisse. Ein Praktikum in einer ausländischen Insolvenzverwaltung oder Restrukturierungsabteilung könnte die Chancen auf einen erfolgreichen Eintritt in dieses interessante Berufsfeld fördern.
Prof. Dr. jur. Dipl.-Betriebswirt Hans Haarmeyer unterrichtet am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Insolvenzrecht am RheinAhrCampus in Remagen und ist dort unter anderem wissenschaftlicher Leiter des MBA-Fernstudiengangs „Sanierungs- und Insolvenzmanagement´. Er war lange Insolvenzrichter und ist Verfasser vieler Lehrbücher, Kommentare und Fachbeiträge und Leitender Direktor des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) sowie Schriftleiter und Herausgeber der ZInsO und der Zeitschrift InsbürO.