Mit 30 Jahren gehe ich meinem Traumjob nach, dachte ich mit 18. Heute bin ich 32 und noch nicht am Ziel. Denn am Ende kam es anders: Ich entschied mich, im Job andere Wege zu gehen als geplant.
Wie es dazu kam, dass ich mich beruflich neu orientiert habe? Nach meinem Volontariat bei einem kleinen Fernsehsender war für mich klar: Ich bleibe beim Fernsehen. In Köln fand ich eine Anstellung und der Start in ein neues Leben in einer neuen Stadt hätte nicht besser laufen können. Doch es stellte sich bald heraus, dass die Fernsehbranche gar nicht so strahlend ist. Die Realität holte mich schneller ein, als mir lieb war. Das Gehalt war für mich toll, aber das wog meine Bauchschmerzen nicht auf, die zu einem dauerhaften Begleiter wurden.
Ich kann nicht sagen, was ich mir genau vorgestellt habe. Ich wusste nur, dass meine Leidenschaft nicht in der Kaltakquise und Recherche von Geschichten und Kandidaten lag. Trotzdem wollte ich meiner neuen Arbeit eine Chance geben. Ich würde mich ganz sicher daran gewöhnen, fremde Menschen anzurufen. So verging mein erstes Projekt, das tatsächlich sehr gut für mich lief. Umso mehr freute ich mich auf ein neues Projekt mit neuen Aufgaben.
Beim Fernsehen ist vieles anders, so saß ich mit meinem Chef im selben Büro. Irgendwie war ich Sekretärin, Mädchen für alles und Redakteurin gleichzeitig. Die Arbeitszeiten wurden immer länger, die Bauchschmerzen jeden Tag mehr. Parallel nahm die Lebensqualität ab. Schlechte, aber in der Branche akzeptierte Arbeitsbedingungen, wenig Freizeit, wenig Wertschätzung standen tollen Kollegen und einem anständigen Monatsgehalt gegenüber. Während der Arbeit habe ich mir oft vorgenommen, den Vertrag einfach auslaufen zu lassen. Und doch war ich froh, wenn es wieder hieß: „Wir haben ein neues Projekt für dich“. Denn das bedeutete: Wieder ein Gehalt mehr und ein Gang zum Arbeitsamt weniger.
Wenn ich ehrlich bin: Ich hatte keine Alternative. Und ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich mich mit Anfang 30 beruflich umorientieren musste. Trotz Studium und Volontariat. Ich habe das als persönliche Niederlage empfunden und immer wieder aufgeschoben. Der andere Punkt war die Frage nach dem, was ich kann und was ich will. Vor diesen Fragen hatte ich Angst. Das Jahr mit den Bauchschmerzen und der geringen Anerkennung hat dazu geführt, dass ich die Fragen nur noch mit „nichts“ und „keine Ahnung“ beantworten konnte.
Ich hatte noch keine konkrete Vorstellung, doch ich liebäugelte mit einer Weiterbildung zur Online-Redakteurin. Wenige Monate zuvor hatte mir meine Arbeitsberaterin dieses Angebot gemacht. Für mich kam es nicht infrage, es war noch nicht der richtige Zeitpunkt. Jetzt war er da und ich bat um einen Termin bei der Agentur für Arbeit.
Nach mehr als einem Jahr Bauchschmerzen und Fragezeichen im Kopf, was wohl aus mir werden würde, ging ich wieder in die Schule. Genauer gesagt: in die Weiterbildung. Vier Monate Theorieunterricht im Klassenverband, zwei Monate Praktikum. Die Theoriephase und das Praktikum waren eine Wohltat. Es gab kein Gehetze, keine Grüppchen. Dafür gab es gegenseitige Wertschätzung und Respekt. Das hat jedem einzelnen gut getan, denn jeder hat seine Geschichte und seine eigenen Fragezeichen mitgebracht.
Nach der Weiterbildung erwartet mich jetzt der gefühlt hundertste Neustart. Aber ich bereue nichts. Es war das Beste, was mir passieren konnte. Dadurch habe ich wieder Mut gefasst und den Glauben an meine Fähigkeiten zurückbekommen.
Ich dachte, wenn ich mich mit Anfang 30 beruflich umorientiere, halten mich die Leute für unreif, unsicher, unwissend. Denn ich kenne ja die perfekten Lebensläufe meiner Freunde und Bekannten. Und ja, manchmal plagt mich der Gedanke, weil ich immer noch nicht am Ziel bin. Aber deswegen bin ich nicht schlechter oder dümmer. Mein Weg hat einfach einen Schlenker gemacht. Und jetzt starte ich durch.