Christiane Zehetner ist Hauptgruppenleiterin Geld- und währungspolitische Instrumente bei der Deutschen Bundesbank. Sie erklärt Aufgaben und Schwerpunkte im Hinblick auf Wirksamkeit und Effizienz bei Geldmarktanalysen.
Wenn der EZB-Rat auf seiner „geldpolitischen“ Sitzung eine Änderung der Leitzinsen beschließt, dann fällt das neue Zinsniveau nicht vom Himmel, sondern es muss erst am Geldmarkt implementiert, also umgesetzt werden. Dazu führen die nationalen Notenbanken des Eurosystems Refinanzierungsoperationen mit den bei ihnen ansässigen Geschäftsbanken durch. Im Eurosystem hat die Bundesbank unter den nationalen Notenbanken mit knapp 2.000 mindestreservepflichtigen Kreditinstituten und mehr als 1.200 registrierten Tenderbanken den umfangreichsten Kreis an geldpolitischen Geschäftspartnern.
Für die Bundesbank bedeutet dies zweierlei: Einerseits ist es unser Ziel, im Eurosystem auf die Gestaltung und Fortentwicklung der geldpolitischen Instrumente Einfluss zu nehmen und damit sicherzustellen, dass die Interessen der deutschen Banken adäquat berücksichtigt werden. Andererseits muss eine effiziente Infrastruktur vorgehalten werden, um die große Zahl an zeitkritischen „Geschäftsvorfällen“ reibungslos zu bewältigen und den Geschäftsbanken dadurch ein hohes Service-Niveau in der praktischen Geldpolitik zu bieten.
Einen Schwerpunkt der Aufgaben meines Teams bilden Analysen im Hinblick auf die Wirksamkeit und Effizienz des geldpolitischen Instrumentariums. Experten in Sachen Geldmarktanalyse arbeiten hier Hand in Hand mit Volks- und Betriebswirten, die sich auf mikroökonomische Fragen spezialisiert haben. Dabei gilt: Die Analysen sind nicht Selbstzweck, sondern münden in „policy recommendations“. Diese werden zunächst hausintern diskutiert und dann in die international besetzten Arbeitsgruppen bei der EZB eingebracht. Neben der analytischen Herangehensweise sind im europäischen Kontext eine Menge Verhandlungsgeschick, interkulturelle Sensibilität und sehr gute Englischkenntnisse gefragt. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt sind die Sitzungsvorbereitung für eine Vielzahl von regelmäßig stattfindenden Treffen der EZB-Arbeitsgruppen und das Erarbeiten von Briefing-Unterlagen für den Bundesbank-Präsidenten.
Die analytische Grundsatzarbeit ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Genauso wichtig für die deutschen Geschäftsbanken ist die praktische Durchführung der Tenderoperationen in unserem Front-Office über das Bietungssystem der Bundesbank sowie die Verwaltung der notenbankfähigen Sicherheiten und das Manage- ment der Mindestreserve auf den Zentralbankkonten. Insbesondere unsere IT-Verfahren, nicht zuletzt wegen zahlreicher Initiativen zur Schaffung von pan-europäischen Gemeinschaftsprojekten, sind einem steten Wandel unterworfen, der dazu führt, dass es immer wichtiger wird, ein breites, notenbankspezifisches Know-how effizient mit Kompetenzen im Projektmanagement zu verknüpfen.
Die Aufgaben für Volks- und Betriebswirte im Zentralbereich „Märkte“, der neben Grundsatzfragen auch Marktanalyse und Portfoliomanagement umfasst, sind sehr abwechslungsreich. Ich habe 2001 das Bundesbank- Referendariat durchlaufen und bin seither im Marktbereich tätig. Seit Mitte 2005 leite ich eine Einheit mit acht Mitarbeitern. Die Arbeit im internationalen Kontext, zusammen mit der EZB und den anderen Notenbanken, macht mir dabei besonderen Spaß. Generell sollte man im Marktbereich daran Freude haben, Fragestellungen pragmatisch anzugehen und unter Zeitdruck Ergebnisse zu liefern. Allein schon, weil wir unsere Analysen und Positionierungen kontinuierlich intern und extern vertreten, ist ein hohes Maß an Offenheit und Kommunikationsfähigkeit wichtig. Raus aus dem vielzitierten „Elfenbeinturm“ lautet daher die Devise.