Das Thermometer steigt, im Büro herrscht brüllende Hitze. Gilt trotzdem der klassische Business-Dresscode? Im Interview erklärt Knigge-Expertin Carolin Lüdemann, ob Flip Flops erlaubt sind, welche Tabus immer gelten – und warum du mit mehr Stoff am Körper etwas für dich selbst tust.
Frau Lüdemann, es sind 30 Grad und alle Kollegen schwitzen. Dürfen wir von der üblichen Kleiderordnung im Büro abweichen?
Streng genommen: leider nein. Grundsätzlich hat Hitze wenig Einfluss auf die Kleiderordnung im Job. Wenn es in einer Branche einen offiziellen Dresscode gibt, dann gilt er bei jedem Wetter. Am strengsten sind die Regeln natürlich bei Berufen mit Kundenkontakt, bei denen Seriosität ausgestrahlt und Vertrauen aufgebaut werden soll. Kunden haben bestimmte Erwartungen, die erfüllt werden sollen – ganz unabhängig von der Jahreszeit.
Haben Mitarbeiter in Banken, bei Versicherungen oder im Consulting also gar keinen Spielraum?
Sie können in den Farben variieren: Männer können im Sommer zum Beispiel einen hellgrauen statt dunkelblauen Anzug tragen. Trotzdem sind häufig Hemd und Krawatte Pflicht. Jedes Unternehmen kann natürlich eigene Ausnahmen definieren: So wird in einigen Bankfilialen an heißen Tagen offiziell verkündet, dass man auf Sakko und Blazer verzichten darf – aber mehr auch nicht. Kurzärmlige Hemden bei Männern sind aus Knigge-Sicht eigentlich nie erlaubt.
Gibt es bei Damenmode mehr Möglichkeiten, was Sommer-Outfits fürs Büro angeht?
Sie können auch mal auf ein Kleid zurückgreifen, das etwas luftiger ist. Aber prinzipiell gilt: Mehr Stoff bedeutet mehr Autorität. Wenn man nach dem klassischen Dresscode für Branchen mit Kundenkontakt geht, dann sind ärmellose Outfits tabu, Frauen zeigen auch kein nacktes Bein. Feinstrümpfe sind obligatorisch, auch bei Hitze. Auch Frauen haben natürlich Spielraum bei der Farbauswahl, aber bei beiden Geschlechtern strahlen dunkle Farben Loyalität, Zuverlässigkeit und Seriosität aus. Polizisten oder Piloten tragen auch nicht plötzlich helle Uniformen, nur weil es wärmer wird.
Und wie sieht es in Branchen ohne Kundenkontakt aus? Ist dort im Sommer jede Kleidung im Büro erlaubt?
Die meisten Unternehmen stellen eigene Regeln auf: In der IT-Branche oder in einer Agentur für neue Medien kann ich auch in Freizeitkleidung am Schreibtisch sitzen, wenn kein Kundentermin ansteht. Als Einsteiger kann man sich an seinen Kollegen orientieren, aber am besten nicht am untersten Level. Im Sommer ist ein solcher Job natürlich eine deutliche Erleichterung. Da stört es auch niemanden, wenn Männer kurze Hosen tragen und Frauen Sandalen – und wenn die Feinstrümpfe mal zuhause bleiben.
Sind dann auch Flip Flops, Hot Pants und Trägertops im Büro okay?
Aus meiner Sicht sollten im Büro vernünftige Schuhe getragen werden – aber es gibt sicher Unternehmen, in denen sich auch niemand an Flip Flops stört. Grundsätzlich rate ich immer: Das Outfit sollte nicht zu kurz und knapp sein, es ist schließlich noch immer ein Job. Auch Freizeitkleidung im Büro muss nicht bauchfrei sein, die Hose sollte beim Bücken noch da sitzen, wo sie sitzen soll. Ich persönlich würde empfehlen, die Schultern zu bedecken und einen knielangen Rock zu tragen – weniger Stoff ist im Büro eher unangebracht und wirkt schnell unprofessionell.
In Start-ups oder modernen Unternehmen sehen viele das sicher nicht so eng. Warum sind die Dresscodes noch so streng – und wirken angestaubt?
Diese Regeln gibt es ja nicht für die Unternehmen, sondern für die Kunden. Wenn Kunden die Wahl zwischen einem konservativ auftretendem Berater haben und einem, der ziemlich leger daherkommt, dann wählen sie eher den konservativen. Auch ein lässiger Skateboard-Fahrer wünscht sich Seriosität, wenn es um wichtige Dinge wie Geld oder Versicherungen geht.
Studien zeigen, dass sich Kunden von klassisch gekleideten Mitarbeiter eher ernst genommen und besser beraten fühlen. Es ist ein Zeichen von Respekt, den man Kunden entgegen bringt. Mit einem professionellen Auftritt tut der Mitarbeiter also etwas für sich selbst und seine Wertschätzung – und nicht für seinen Chef, der persönlich Wert auf den Dresscode legt.
Als Mitarbeiter einer Bank sollte ich also klassisch gekleidet sein. Was kann ich tun, um mich an einem heißen Sommertag auch im Anzug möglichst wohl zu fühlen?
Ganz klar: Es ist okay, an einem heißen Sommertag auch mal zu schwitzen. Aber jeder kann etwas dafür tun, dass es nicht so stark auffällt. Wenn man nicht das ganze Hemd oder die Bluse durchschwitzen will, sollte man trotz Hitze ein Unterhemd tragen. Natürlich kann man auch leichter gekleidet anreisen und Sakko und Krawatte erst kurz vor Dienstbeginn ergänzen. Wer aber als Einsteiger sowieso schon Probleme mit dem Krawattenknoten hat, der sollte ihn lieber in Ruhe zuhause binden – sonst kommt er erst recht ins Schwitzen.
Wie sollte ich als Einsteiger vorgehen, wenn ich meinen ersten Arbeitstag ausgerechnet bei Hitze habe?
Zunächst sollte ich mir den Dresscode des Unternehmens ansehen, zum Beispiel auf der Website: Wie treten die Mitarbeiter auf, bestenfalls in der eigenen Abteilung? Daran sollte ich mich orientieren. Ein erster Eindruck entsteht schnell und er lässt sich nicht revidieren. Ob Sommer oder Winter: Im Zweifel würde immer mit einem klassischen Outfit ins Rennen gehen – einen Gang zurückschalten kann ich ab dem zweiten Tag immer noch.