Unter Stress schnell und souverän handeln – dafür werden Piloten ausgebildet. Das Spannende für dich: Die von der NASA entwickelten Spezial-Strategien lassen sich auf andere Jobs übertragen. Berufspilot Philip Keil erklärt, welche Tipps auch dir helfen.
Stress, Krisen, Konflikte, Notfälle: All das gehört mittlerweile zum Job-Alltag dazu. Gerade in turbulenten (Flug-)Phasen zeigt sich, ob ein Team funktioniert und ein Unternehmen gut aufgestellt ist oder nicht. Im Cockpit wie im Business.
Das Problem: Unser Gehirn arbeitet im Krisenmodus sehr uneffektiv. Totstellen, wegrennen oder angreifen – die Evolution lässt grüßen. Weil diese Reaktionen in der Luftfahrt bereits zu verheerenden Katastrophen geführt haben, entwickelte die NASA Ende der 70er Jahre das „Crew Resource Management“. Hocheffektive Strategien, die Piloten auch im Notfall dabei helfen, überlegt und koordiniert zu handeln.
Krisen haben die Angewohnheit, unangemeldet und höchst unpassend zu erscheinen. Nur wer einen Notfallplan parat hat, wird im entscheidenden Moment sein Potenzial nutzen können. Piloten trainieren deshalb regelmäßig den Worst Case im Flugsimulator. Und das kannst du gemeinsam mit deinen Kollegen auch tun: Trefft euch einmal im Monat zu einem Team-Meeting, in dem ihr alle denkbaren Gefahren-Szenarios durchspielt.
„Was würde uns richtig hart treffen?“ „Was würden wir dann ganz konkret tun?“ „Was wären die wichtigsten Sofort-Maßnahmen?“ Diese Ergebnisse fasst ihr dann zu einer Notfall-Checkliste zusammen, die bei jedem Mitarbeiter griffbereit in der Schublade landet. Piloten haben so eine Checkliste für jeden denkbaren Systemausfall.
Situationen können unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Ähnlich wie Kapitän und Copilot die Anzeigen ihrer Instrumente vergleichen, also „cross checken“, sollten auch Mitarbeiter und Führungskräfte ihre Einschätzungen von Kollegen überprüfen lassen.
Dieses Feedback-Tool kann nur funktionieren, wenn hierarchieunabhängig und ehrlich gesprochen und angenommen wird. Die Untersuchungsberichte unzähliger Firmen-Pleiten und Flugzeug-Crashs belegen, dass allein eine klare Kommunikation die Katastrophe schon hätte verhindern können.
Menschliches Versagen macht in der Fliegerei mit 80% den Löwenanteil der Absturzursachen aus. Dennoch konnte seit der Einführung des „Crew Resource Management“ die Unfallquote dramatisch reduziert werden. Es fand ein Umdenken beim Umgang mit Fehlern statt: Publizieren statt Sanktionieren! Man hat erkannt, wie wertvoll die Erkenntnisse aus Fehlern für die Flugsicherheit sind und beschloss, die Fehler jedes Piloten anonymisiert zu behandeln und in einem ausführlichen Bericht zu analysieren.
Diese „Flight Safety Info“ der Piloten fand in Form von CIRS (Critical Incident Reporting System) bei Ärzten schon Nachahmer. Studien zeigen, dass Mitarbeitermotivation, -zufriedenheit und Firmenerfolg durch eine positive Fehlerkultur zunehmen. Also schlag deiner Abteilung vor, dass ihr euch regelmäßig zum „Lern-Meeting“ trefft, in dem ihr frei und ungeniert über eure Patzer plaudert.
All diese Veränderungen müssen von Vorbildern in das Unternehmen getragen werden. Nur wenn der Chef – etwa wenn er von einem jüngsten Fehler erzählt – diese offene Kommunikation vorlebt, wird sich ein nachhaltiger Change-Prozess entwickeln. In der Luftfahrt dauerte es zehn Jahre, bis das „Crew Resource Management“ umgesetzt war.
Auch die Führungskraft in der Unternehmenswelt sollte deshalb statt auf einen radikalen Kurswechsel lieber auf eine schrittweise Verbesserung der Kommunikation innerhalb seiner „Crew“ setzen. Also schlag es am besten direkt deinem Chef vor – denn die nächsten Turbulenzen kommen bestimmt!