Zertifikate bescheinigen IT-Experten, dass sie fachlich auf dem aktuellen Stand sind. Pflicht sind sie vor allem in Unternehmen, die ihren IT-Support externen Kunden anbieten. Was du über IT-Zertifikate wissen musst: der Überblick.
Die Achtzigerjahre sind bekannt für ihre schrillen Farben, aber auch die erste Blütezeit des Heimcomputers. Mitte des Jahrzehnts bringen immer mehr Firmen neue Rechner-Modelle auf den Markt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass 1989 auch das erste IT-Zertifikat in die Computerfamilie aufgenommen wurde.
Das Unternehmen Novell machte mit dem Programm "Certified Netware Engineer" (CNE) den Anfang, gefolgt von Microsoft. Die meisten Zertifikate sind an Produkte und Hersteller gebunden, wie Adobe, Apple, BMC Software, Check Point, Cisco, Juniper Networks, NetApp oder Oracle. Aber nicht immer ist es nötig, sich an ein bestimmtes Produkt oder einen Hersteller zu binden: Zertifikate des internationalen Branchenverbands Comp-TIA oder des International Software Testing Qualification Board sind produktunabhängig.
Zertifikate schaffen Vergleichswerte, die Hochschulzeugnisse nicht immer liefern können. Firmen erhalten so Einblick in die theoretischen Fähigkeiten von Bewerbern – auch wenn die Hochschulnoten vielleicht nicht so gut waren. Vergleichbarkeit ist besonders wichtig für IT-Dienstleister, die ihr Know-how anderen Unternehmen anbieten.
Jedoch muss für ein Zertifikat oft tief in die Tasche gegriffen werden. Je nach Umfang und Anzahl der Tests sind schnell mal 5.000 Euro fällig. Wer sich zusätzlich coachen lässt, kann mit 10.000 Euro rechnen. Das Loch im Geldbeutel kann durch Selbstschulung geringer gehalten werden. Jedoch ist das meist mit einem großen Zeitaufwand und Selbstdisziplin verbunden. Ein Jahr Vorbereitungszeit müssen Interessenten einkalkulieren.
Wenn die Qualifikation im Interesse des Arbeitgebers liegt, unterstützt er häufig seine IT-Fachkraft bei den Kosten. Es gibt aber auch Förderprogramme oder Bildungsgutscheine, die bei der Finanzierung hilfreich sein können. Manche Hochschulen kooperieren mit Anbietern von Zertifikaten und werben mit speziellen Tarifen für Studenten. So bot die Hochschule Augsburg zu Zeiten der Studiengebühr eine SAP-Zertifizierung sogar ohne weiteren Aufpreis an. Mittlerweile kostet der Kurs 600 Euro – immer noch ein Schnäppchen.
ist der umsatzstärkste Software-Hersteller außerhalb der USA. Deshalb schauen nicht nur im badischen Walldorf alle Augen auf das IT-Unternehmen. Auch in den Studienplänen der Hochschulen sind seine Lösungen deshalb vertreten. Es ist aber nicht Aufgabe der Hochschulen, ihren Studenten die Software eines einzelnen Herstelles zu vermitteln. Deshalb vermitteln sie neben SAP auch andere Anwendungssysteme wie Navision oder Oracle. Dennoch verlangen viele Unternehmen in ihren Stellenausschreibungen SAP-Kenntnisse. Besser noch: Zertifizierungen.
Das TERP10-Zertifikat von SAP steht für "Training Enterprise Resource Planning in 10 Tagen". Ziel ist, die Steuerung der unternehmerischen und betrieblichen Abläufe zu optimieren (Enterprise Resource Planning, ERP), aber auch die Materialbedarfsplanung spielt eine Rolle. Auch praktische Erfahrungen zum SAP-System werden vermittelt, so wie die SAP-Programmiersprache ABAP. Bei dem dreistündigen Abschlusstest, werden rund 80 überwiegend Multiple-Choice-Fragen gestellt. Die Aufgaben müssen zu 51 Prozent richtig gelöst werden. Der Aufwand lohnt sich, denn das Zertifikat wird von Personalleitern weltweit anerkannt.
Was IT-Zertifikate mit dem Joghurt im Supermarkt gemeinsam haben, ist das Verfallsdatum. IT-Systeme verändern sich laufend, das erworbene Wissen hat nur eine begrenzte Halbwertzeit.
Zertifikate sollten deshalb immer auf dem neuesten Stand sein und müssen laufend erneuert werden. Nach zwei Jahren ist ein Zertifikat meist nicht mehr aktuell. Um nicht ganz bei null anfangen zu müssen, gibt es in unregelmäßigen Abständen die Möglichkeit zur Rezertifizierung. Wer diese Termine nicht wahrnimmt, muss das Zertifikat komplett von Anfang an wiederholen.
Zertifizierung hin oder her: Wenn die Praxis nicht vermittelt werden kann - dann hilft kein Zertifikat der Welt etwas. Experten bemängeln, dass sich der Schwerpunkt vieler Zertifikate immer mehr in Richtung Theorie verschoben habe und sie die Praxis vernachlässigten. Die Teilnehmer würden dazu verleitet, vor allem Testaufgaben zu lösen. Unternehmen nützt aber kein Kandidat etwas, der im Besitz etlicher IT-Zertifikate ist, aber keine praktischen Erfahrungen mitbringt.
Wer in der IT arbeitet, lernt nie aus und sollte sich nicht in ein bestimmtes Gebiet verbeißen. Viel wichtiger ist die eigene Lernfähigkeit. Und die dürfen ITler auch zeigen - gerne mit einem Zertifikat. Besonders hilfreich können Zertifizierungen für langjährige Branchen-Mitarbeiter sein. Sie können so ihre Motivation und ihre Bereitschaft zur Weiterbildung unter Beweis stellen - und dass sie mit der Zeit gehen.