Nicht jeder ist ein rhetorisches Talent. Das gilt auch für Juristen. In Rhetorik-Kursen können sie ihre kommunikativen Kompetenzen stärken und für die Praxis trainieren.
Juristische Arbeit ist vor allem eines: Spracharbeit. In der juristischen Praxis ist die mündliche Kommunikation unabdingbar: bei Gesprächen zwischen Mandant und Anwalt, in der Verhandlung vor Gericht, im Plädoyer, in Schriftsätzen oder Stellungnahmen. Es ist daher geradezu notwendig, sich systematisch mit Rhetorik zu beschäftigen, will man die tägliche Arbeit erfolgreich bewältigen.
Rhetorik ist die Lehre von der Verständigung. Konkret ist sie die Kunst, mit Sprache zu überzeugen. Ziel gelungener Rhetorik ist es, ein Thema so darzustellen, dass die Zuhörer es verstehen und sich eine eigene Meinung bilden können. Ein guter Redner vermeidet es, den Zuhörern seine Überzeugung als einzig wahre zu verkaufen. Er erleichtert es, seine Argumentation nachzuvollziehen, indem er Strukturen und Stilmittel verwendet und authentisch auftritt.
Rhetorische Fähigkeiten werden den meisten Menschen nicht in die Wiege gelegt. Sicherlich gibt es auch rhetorische Naturtalente, doch die meisten großen Redner haben ihre Redekunst lange trainiert. Die gute Nachricht lautet also: Rhetorische Kompetenzen kannst du lernen. Im Stundenplan der meisten Jurastudenten spielen Rhetorikkurse allerdings bislang kaum eine Rolle. Die Ansicht, Juristen müssten geborene Redner sein oder würden die notwendigen Fähigkeiten spätestens während des Studiums quasi automatisch erlernen, ist weit verbreitet. Kommunikative Kompetenzen erlernen Nachwuchsjuristen nur, indem sie sich gezielt mit Sprache und den eigenen rhetorischen Stärken und Schwächen auseinandersetzen und das eigene Denken und Handeln reflektieren.
Rhetorikseminare, die von erfahrenen Rednern gehalten werden, können bei der Entwicklung eines eigenen rhetorischen Stils helfen. Hier gibt es allerdings qualitative Unterschiede: Viele Rhetoriktrainer spulen vor jeder Lerngruppe das gleiche Band ab. Aber Pauschaltipps sind für den Einzelnen meist nicht hilfreich. Seminare, die neben den theoretischen Grundlagen auch ein Videofeedback geben, können individuelle und persönliche Aspekte wie Schüchternheit, Nervosität oder kleine Ticks berücksichtigen. Beim Videofeedback werden die Vorträge der Teilnehmer in einer kleinen Gruppe genau auf Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten analysiert. Entscheidend ist dabei die Stimmigkeit zwischen verbalen und körpersprachlichen Signalen. Die Forschung zeigt: Wenn hier Diskrepanzen auftreten, wird der Körpersprache mehr geglaubt als dem gesprochenen Wort.
In juristischen Reden dürfen auch Emotionen eine Rolle spielen. Sprachanalysen zeigen, dass juristische Texte besser verstanden werden, wenn eine gewisse Emotionalität des Autors – zum Beispiel Empörung in Anbetracht eines für sinnlos gehaltenen Gesetzes – zum Ausdruck gebracht wird. Das gilt auch für die Rede. Um sie angenehm und flüssig zu gestalten, darf der Redner auch Gefühle, eine kurze Anekdote oder persönliche Erfahrungen einfließen lassen.
Der vielleicht wichtigste Aspekt: Der Sprecher muss authentisch auftreten. Nichts wirkt unglaubwürdiger als eine einstudierte Rede, die dem Typ des Sprechers nicht entspricht.