Bevor ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen darf, muss er eine sogenannte Sozialauswahl durchführen - unterbleibt sie oder ist der Sozialplan fehlerhaft, ist die Kündigung unwirksam.
Steckt ein Unternehmen in der Krise, werden häufig Mitarbeiter entlassen - betriebsbedingt. Wen es trifft, kann der Chef nicht einfach so entscheiden. Ist das Kündigungsschutzgesetz nach den Paragraphen 1 I, 23 I anwendbar, muss er eine Sozialauswahl durchführen. Das ist problemlos der Fall, wenn der betroffene Arbeitnehmer ununterbrochen seit mindestens sechs Monaten im Unternehmen arbeitet und in dem Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt werden.
Ein Beispiel: Will ein Arbeitgeber aufgrund eines erheblichen Auftragsrückgangs einigen Angestellten betriebsbedingt kündigen, darf er sie nicht willkürlich auswählen: Er darf nur denjenigen kündigen, die im Gegensatz zu anderen Mitarbeitern weniger schutzwürdig sind. Diese Schutzwürdigkeit wird anhand einer sozialen Auswahl geklärt. Hier dürfen allerdings nur vier objektive Kriterien berücksichtigt werden:
Wer also noch nicht lange im Unternehmen, ledig und kinderlos ist, hat im Kündigungsfall das Nachsehen. Schließlich bestehen keine Unterhaltspflichten, man ist relativ ungebunden und kann in der Regel schnell einen neuen Arbeitsplatz finden.
Arbeitgeber dürfen bei der Sozialauswahl jedoch nicht mehr oder andere Kriterien heranziehen. Auch darf der Arbeitgeber keinem Kriterium Vorrang einräumen - keines ist von vornherein wichtiger oder unwichtiger als das andere. Die Zahl der vorliegenden Kriterien ist ebenfalls nicht entscheidend. Es kann also passieren, dass ein Beschäftigter, bei dem nur ein Kriterium vorliegt, schutzwürdiger ist als sein Kollege, der mit zwei oder mehreren Kriterien aufwarten kann. Dies ist allerdings stets abhängig vom Einzelfall und der Gewichtung der einzelnen Kriterien.
Einem Vater von zwei Kindern wurde betriebsbedingt eine Änderungskündigung erklärt: Seine Wochenarbeitszeit sollte nur noch zehn Stunden betragen, was eine erhebliche Verringerung seines Einkommens zur Folge gehabt hätte. Er hielt die Änderungskündigung jedoch für unwirksam. Sein Arbeitgeber habe schließlich Fehler bei der Sozialauswahl gemacht, als er eine Kollegin für schutzwürdiger erachtete, nur weil sie drei Jahre länger im Unternehmen beschäftigt und eineinhalb Jahre älter als er selbst sei. Im Gegensatz zu ihm sei die Frau ledig und kinderlos - er dagegen habe zwei Kinder und eine Ehefrau zu versorgen. Ihn träfe die Vertragsänderung daher um einiges härter als die Kollegin.
Das Bundesarbeitsgericht gab ihm Recht. Zwar war die Kollegin tatsächlich länger im Unternehmen beschäftigt, und älter war sie auch - aber nur geringfügig. Schwerer gewichteten die Richter dagegen die Unterhaltspflichten. Den Familienvater hätte die Vertragsänderung dazu gezwungen, sich einen neuen Job oder zumindest eine weitere Beschäftigung zu suchen. Da die Kollegin aufgrund ihres Alters ähnliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatte wie der Familienvater, und sie darüber hinaus keinerlei Unterhalt zahlen musste, war es ihr jedoch zuzumuten, eine Verringerung der Wochenarbeitszeit hinzunehmen und eventuell eine andere bzw. weitere Tätigkeit aufzunehmen. Damit war die Sozialauswahl fehlerhaft durchgeführt worden und die Änderungskündigung unwirksam.
Gut zu wissen: Ein eigenes Einkommen des Ehepartners verringert nicht die Schutzwürdigkeit eines Beschäftigten, sondern darf höchstens zu einer geringeren Gewichtung einer Unterhaltspflicht führen. Ein anderes Ergebnis würde nämlich vor allem weibliche Beschäftigte benachteiligen: Die haben schließlich oft einen Unterhaltsanspruch gegen ihre - häufig besser verdienenden - Ehegatten. Würde der Anspruch bei der Sozialauswahl Berücksichtigung finden, wären Frauen automatisch weniger schutzwürdig als ihre männlichen Kollegen.
Ein Beitrag der juristischen Redaktion von anwalt.de